EVALUS im Interview: "Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit"

Aus der Interviewserie: Automotive Aftermarket der Zukunft

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RX: Herr Kartal, wir freuen uns sehr, dass sie zum ersten Mal bei uns auf der AutoZum sind. Geben Sie unseren LeserInnen einen kurzen Einblick in Ihr Unternehmen.

Vielen Dank. Wir freuen uns ebenfalls auf eine sehr spannende Veranstaltung. Die EVALUS GmbH wurde 2014 gegründet. Wir sind in den Bereichen der Aus- und Weiterbildung, Überprüfung von elektrischen Anlagen und Betriebsmittel und der sicherheitstechnischen Beratung von Unternehmen tätig. Weiters sind wir eine vom BMASK ermächtigte Ausbildungsstätte gemäß der Fachkenntnis-Nachweisverordnung.

Im Elektromobilitätsbereich durften wir bereits mehr als 5000 Personen sensibilisieren.

Ich selbst bin auch als gerichtlich zertifizierter Sachverständiger im Bereich „Elektrisches Unfallwesen – elektrisch angetriebene Fahrzeuge“ tätig und arbeite seit 2006 ehrenamtlich als Experte, in mehreren Arbeitsgruppen, in der Normung mit.

Wir arbeiten ständig an uns, um unseren Kunden bestmögliche Leistungen anzubieten.

RX: Wie schätzen Sie die Entwicklung im Bereich E-Mobilität ein, einerseits mit Blick auf die Fahrzeugzulassungen, aber andererseits auch im Bereich der Infrastruktur und der Reparatur von Fahrzeugen?

Da fällt mir der Spruch „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“ ein. Denn Elektromobilität ist nicht vergleichbar mit der konventionellen Mobilität, die wir seit über 100 Jahren erleben. Sie wird die Automobilbranche sehr stark verändern, neue Konzepte entstehen, neue Partnerschaften bilden, neue Branchen schaffen. Und wer mit offenen Augen durch die Strassen läuft der sieht, der Wandel hat längst begonnen. 

Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit!

Deniz Kartal, Geschäftsführer EVALUS GmbH

2014 hatte ich am ersten Stammtisch Elektromobilität in Österreich behauptet, dass sich die Elektromobilität wie das Aufpoppen von Popcorn verhalten werde. Diesen hatte ich damals in 3 Stufen beschrieben:

Am Anfang (Stufe 1) gibt es sehr viele Zweifler, weil sich 70-80 Sekunden nichts tut, dann poppt das erste Maiskorn auf. Danach tut sich einige Zeit lang wieder nichts (Stufe 2), wo die Zweifler wieder laut werden. Schließlich kommt die dritte Stufe, in der plötzlich sehr viele Maiskörner aufpoppen und die letzten Zweifler verstummen. Nach meiner Einschätzung befinden wir uns aktuelle am Beginn der dritten Stufe.

Aufgrund unserer engen Zusammenarbeit mit sehr vielen Herstellern und Importeuren aus allen Mobilitätsbereichen (Straßenfahrzeuge, Maschinen, Flugzeuge, Rennfahrzeuge) können wir bestätigen, dass zurzeit so ziemlich alles elektrifiziert wird, was sich bewegt.

Durch unsere Tätigkeiten als neutrale Prüfstelle führen wir Abnahme- und wiederkehrende Überprüfungen von Ladeinfrastruktur durch und können in diesem Bereich auch einen deutlichen Anstieg verzeichnen. Wenn wir die Bereitstellung der Infrastruktur mit dem Popcorneffekt vergleichen, würde ich ebenfalls behaupten, dass die dritte Stufe nicht weit weg ist.

Die Reparatur von Elektrofahrzeugen in freien Werkstätten hat in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen.  Wir bekommen immer häufiger Anrufe von freien Werkstätten, wie an Elektrofahrzeugen vorzugehen ist und wann die nächste Weiterbildung im Hochvoltbereich angeboten wird. In diesem Bereich würde ich behaupten, dass wir uns in der Stufe 2 des Popcorneffekts befinden.

RX: Wie blicken Sie auf den Trend, dass immer mehr chinesische Fahrzeuge auf den europäischen Markt kommen? Ist das ein relevanter Aspekt der E-Mobilität, oder werden sich die bereits etablierten Hersteller durchsetzen?

Die chinesischen Fahrzeughersteller sollte man nicht unterschätzen. Es werden in naher Zukunft auch aus anderen Märkten neue Player hinzukommen. Das Herzstück eines Elektrofahrzeuges ist schließlich nicht mehr der Motor sondern das Batterie- und Thermomanagement. Ich denke aber, dass einige der etablierten Hersteller sich dennoch sehr gut vorbereitet haben und mit Qualität und Jahrzehntelanger Erfahrung im Automobilbereich etablieren werden. Was nicht heißen soll, dass „alle“ etablierten Fahrzeughersteller ein leichtes Rennen haben werden.

Grundsätzlich belebt die Konkurrenz das Geschäft.  Wir dürfen uns auf jeden Fall auf viel „Spannung“ einstellen.

RX: Kommen wir endlich auf die AutoZum zu sprechen. Was war ausschlaggebend für Sie an dieser Veranstaltung teilzunehmen?

Der nationale Umsetzungsplan für Elektromobilität in und aus Österreich sieht unter vielen anderen Anforderungen vor, dass die Kooperation zwischen Unternehmen, Schulen und Forschungseinrichtungen intensiviert und die vorhandene Forschungsinfrastruktur bestmöglich genutzt werden soll.

Aus diesem Grund haben wir schon 2014 den ersten „Stammtisch Elektromobilität“ Österreich im Wiener Raum veranstaltet. 2018 haben wir die Bezeichnung unserer Veranstaltung auf „EV-Safety Day“ umbenannt, da es zu dieser Zeit, einerseits sehr viele Stammtische für Elektromobilität gab und gleichzeitig unsere Besucheranzahl stetig anstieg. 2020 kam schließlich der Vorschlag seitens RX unser Format in die AutoZum zu integrieren.

Nachdem Salzburg für unsere Schulungsteilnehmer aber auch Partner sehr zentral ist, war das für uns auch eine gute Möglichkeit unser Format für alle Teilnehmer aus Österreich und den Nachbarländern zugänglicher zu machen.  

RX: Welche Erwartungen haben Sie an die AutoZum und was dürfen unsere BesucherInnen in der E-Mobility Area erwarten?

Der von der Elektromobilität betroffene Personenkreis setzt sich aus mehreren Gruppen zusammen:

  • Personen, die die Fahrzeuge bauen
  • Personen, die die Fahrzeuge instandhalten
  • Personen, die die Fahrzeuge nutzen
  • Personen, die indirekt von der Elektromobilität beeinflusst werden

Alle Personengruppen haben unterschiedliche Erwartungen und Herausforderungen durch die Elektromobilität.

Auf der E-Mobility Area wollen wir allen betroffenen Personenkreisen die Möglichkeit bieten, sich direkt mit den Experten auszutauschen und sie mit Fachvorträgen über den Stand der Technik informieren. Daher erwarte ich mir eine hohe Besucheranzahl aus allen Bundes- und Nachbarländern.

RX: In Ihren letzten EV-Safety-Day Veranstaltungen gab es einen Weiterbildungsnachweis für Personen die durch Ihre Firma ausgebildet wurden.  Gibt es diesen Weiterbildungssticker für deren EVAL-Logbuch auch auf der AutoZum? 

EVAL-Karten Inhaber, die unsere Fachvorträge auf der AutoZum besuchen, dürfen sich über einen kostenlosen Weiterbildungsnachweis freuen. Aber nicht nur das. Wir werden auf der AutoZum unser komplett überarbeitetes EVAL-Konzept (evalcard.com) vorstellen, welches den Werkstätten, Arbeitgebern und Arbeitnehmern, einiges an Arbeit erleichtern wird.

RX: Werfen wir noch einen genaueren Blick auf die Werkstätten. Wie sollte eine Werkstatt aufgestellt sein, um für die E-mobile Zukunft vorbereitet zu sein?

Auch hier gilt derselbe Spruch: „Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit“. Speziell für freie Werkstätten, die sich dem Thema Elektromobilität verschließen, wird es immer schwieriger in Zukunft.

Es sind organisatorische und persönliche Maßnahmen erforderlich, die umgesetzt werden müssen, um in der Werkstätte auch sicher an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen arbeiten zu können. Wir werden auf der E-Mobility Area auch Fachvorträge zum Thema „Sicheres Arbeiten an elektrisch angetriebenen Fahrzeugen“ abhalten. 

RX: Kann sich eine Werkstatt, die den Trend zur E-Mobilität rechtzeig erkennt einen Vorteil gegenüber dem Mitbewerb erarbeiten, oder wird es für alle Werkstätten zum Standard?

Beides würde ich sagen. Es wird Werkstätten geben, die rechtzeitig handeln und Vorteile haben werden gegenüber dem Mitbewerb. Die Werkstätten, die sich nicht in diese Richtung bewegen, wird es in einigen Jahren nicht mehr geben oder Ihr Leistungsspektrum wird sehr eingeschränkt sein.  

RX: Unterscheidet sich das Skill-Set, das ein Kfz-Techniker im Bereich E-Mobilität braucht deutlich von dem, das für klassische Antriebe benötigt wird, oder sind Zusatzausbildungen ausreichend?

Es ist viel mehr als nur eine Zusatzausbildung erforderlich. Die Lehrpläne wurden zwar dahingehend überarbeitet, aber es wird auch nach der Ausbildung zum Kfz-Techniker ohne Weiterbildung nicht funktionieren, da der Transformationsprozess erst angefangen hat und die Technologie nicht vergleichbar ist mit beispielsweise einer Elektroinstallation, die sich nicht mehr so stark verändert.

RX: Werfen wir noch einen kurzen Blick auf andere Alternative Antriebsformen. Sehen Sie hier Potenzial, oder bleibt die E-Mobilität der vorherrschende Trend?

Verbrenner werden auf absehbare Zeit zumindest am europäischen Markt nicht mehr angeboten. Derzeit werden Batterieelektrische, Hybride, PlugIn-Hybride und Brennstoffzellenelektrofahrzeuge angeboten. Alle haben einen elektrischen Energiespeicher. Schließlich werden die Kunden entscheiden, in welche Richtung es gehen wird.

Meine Vermutung liegt in einer Zukunft mit rein elektrischen Antrieben im Straßenverkehr. In anderen Bereichen könnten sich Brennstoffzellenelektrische Fahrzeuge durchsetzen. Von E-Fuels halte ich absolut nichts. Es geht schließlich nicht mehr nur um das Auto allein, sondern um ein Gesamtenergiekonzept. Wer Elektromobilität verstanden hat, wird keine Zeit in diese Richtung verschwenden.

 

Im Interview: Deniz Kartal, Geschäftsführer EVALUS GmbH