Elektromobilität: Mehr als ein Marketing-Gag?

Sicherheit und Reichweite sind die vorherrschenden Themen, wenn es um Elektromobilität geht. Bei der Sicherheit ist man schon sehr weit, die Normen hinken noch hinterher. Worauf Sie achten müssen. 

Als im Film „Zurück in die Zukunft“ die Funken sprühen und der DeLorean DMC-12 abhebt, haben sich Doc Brown und Marty McFly keine Gedanken über die Sicherheit gemacht. Ist ja auch kein sexy Thema. Mit Normen und Regeln wollte man sich schon 1955 nicht auseinandersetzen. Sollte man aber für die Zukunft, wenn es um E-Autos geht. Warum? Weil Ihr Leben (als Kfz-Techniker) davon abhängt.

Im ersten Teil haben wir mit Deniz Kartal, Geschäftsführer von Evalus, über den „EV Safety Day“ und Normen gesprochen. Genug von der Theorie, sprechen wir über die Praxis. 

© Evalus / Deniz Kartal
Deniz Kartal ist Spezialist für Normen und Richtlinien im Bereich der Hochvolt-Systeme und Elektromobilität.  

 

Reed Exhibitions: Herr Kartal, haben die Fahrzeuginsassen die Möglichkeit zum Traktionsakku zu gelangen? Könnte also ein Kind mit einem Stift auf der Rücksitzbank sich selbst in Gefahr bringen?

Deniz Kartal: Nein, die Fahrzeuge sind wirklich safe. Die elektrische Installation in einem Elektrofahrzeug ist 3-4 mal sicherer ausgeführt als unsere elektrischen Anlagen im Haushalt. Es gibt in jedem Fahrzeug viele Sicherheitseinrichtungen und Schutzmaßnahmen, die eine Gefährdung von Personen verhindern. Nur ein gleichzeitiges Versagen von mehreren Sicherheitselementen kann gefährlich werden. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Meteorit einschlägt ist höher. Man darf aber nicht vergessen, dass auch Meteoriten schon eingeschlagen sind. Ich sehe ein größeres Gefahrenpotential eher in der Werkstätte, bei Arbeiten durch unkundiges Personal oder durch Missachten von Sicherheitsvorgaben. 

Was darf ich als Privatperson bei einer Panne noch selbst kontrollieren?

Kartal: Was der Fahrzeughersteller zulässt. Bei reinen Elektrofahrzeugen wird man aber außer der Scheibenwaschflüssigkeit nichts Weiteres kontrollieren können, da viele Komponenten nicht vorhanden sind. Wieso sollte sich der Fahrer für die Temperatur der Kühlflüssigkeit interessieren? Das Auto soll einfach funktionieren und keine Hinweise zu Fehlfunktionen abgeben.  

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Bei einer Panne mit einem E-Fahrzeug hilft dann nur noch der Pannendienst.

 

Sind die Pannendienste bereits flächendeckend für E-Autos geschult?

Kartal: Die großen Automobilclubs sind bereits geschult und vorbereitet. Es braucht für Pannendienste aber eine eigene Richtlinie. 

Was darf ein Pannendienst?

 

 

Ein Reifentausch wäre bei einem Radnabenmotor dann nicht mehr möglich? Als Privatperson übersteigt das vermutlich in den meisten Fällen die Kompetenzen.

Kartal: Das ist eine gute Frage. Als Arbeitnehmer muss ich dafür die Ausbildungsstufe 2 absolvieren, da ich direkt am Hochvolt-System arbeite. 

Wird man noch etwas vom Radnabenmotor hören? Oder verschwindet der leise wieder zurück in die Schublade?

Kartal: Sobald vollautonomes Fahren möglich ist, wird der Radnabenmotor wieder interessant. Der Radnabenmotor wird noch sein Comeback feiern. 

Es gibt ja auch den Mikro-Hybrid. Der ist ja kein Hybrid im eigentlichen Sinne, sondern ein normaler Verbrennungsmotor mit einer Start-Stopp-Automatik in Verbindung mit Rekuperation. Waren das die Anfänge der Elektromobilität oder geht das noch weiter zurück, z.B. auf den Radnabenmotor im Lohner-Porsche?

Kartal: 1881 kam das erste Serienfahrzeug mit drei Rädern und einer Batterie, das sogenannte Trouvé-Tricycle. Um etwa 1900 kam dann der Lohner-Porsche auf den Markt, eine Augenweide, mit Radnabenmotoren. Das weltweit erste Hybridfahrzeug stammt auch aus dem Hause Porsche: der Mixte-Wagen, vorgestellt 1902. Ein Fahrzeug mit Fronantrieb, dessen Akku wurde mithilfe eines Verbrennungsmotors von Daimler angetrieben wurde. Ein Mikro-Hybrid hat mit einem „richtigen“ Hybrid eigentlich nichts zu tun. Das war eher ein Marketing-Gag. 

Zurück in die Zukunft: Vehicle-to-Grid…

Kartal: …muss die Zukunft sein. Wir werden nur ausreichend Strom haben, wenn dieses System funktioniert. Sehen wir uns einmal die Entwürfe für das Energieeffizienzgesetz an. Es wird verpflichtend werden, dass ab 2025 jeder öffentliche Stellplatz über eine Steckdose verfügt. Elektromobilität kann anders nicht funktionieren. 

Was muss man beim Betreiben einer Wallbox beachten? Gilt hier die ÖVE R30-Richtlinie?

Kartal: Als Betreiber einer Wallbox bin ich Anlagenbetreiber, auch als Privatperson. Und gemäß Elektrotechnikgesetz muss ich gewisse Vorgaben einhalten, zum Beispiel die Instandhaltung. Die Überprüfung muss von einem Elektriker vorgenommen werden. 

Braucht der Elektriker dann eine spezielle Ausbildung für die Überprüfung der Wallbox?

Kartal: Ja, der Elektriker sollte gemäß der ÖVE 8101-Teil 7 (722) arbeiten. Wissen über Schutzmaßnahmen, Gleichzeitigkeitsfaktoren und Vorsicherungen sind hier wichtig bzw. lebensnotwendig. Auch der Elektriker muss sich weiterbilden. 

Kommen wir nochmal zurück zu den Fahrzeugen: Wie sieht es bei Motorrädern aus? Zum Beispiel mit einer KTM SX-E5? Oder bei Maschinen wie einem Bagger oder einem Traktor?

Kartal: Hier wird derzeit nach der ÖVE R19-Richtlinie gearbeitet. Grundsätzlich bräuchte es aber auch dort eine eigene Ausbildung. Denn Maschinen durchlaufen einen anderen Genehmigungsprozess als Straßenfahrzeuge. Maschinen haben kein Hochvoltsystem, sondern ein Niederspannungssystem.

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Ist die Technologie von Tesla tatsächlich energieeffizient?

 

Im Tesla Model S wiegt die Batterie rund 750 kg, also schon fast eine Tonne. So manch älteres Fahrzeug wiegt 800 kg. Man führt daher schon fast ein Auto in einem E-Auto mit. Ist das dann noch energieeffizient?

Kartal: Ein Tesla Model S wiegt rund 2 to und kam 2012 auf den Markt. Damals war die Anforderung nicht, 100% energieeffizient unterwegs zu sein. In den letzten Jahren hat sich viel verändert. Viele Bauteile hat Tesla in die Batterie bzw. den Akku integriert und einige sind weggefallen. Bei den neueren Generationen ist das Gewicht deutlich gesunken und die Reichweite dadurch gestiegen.

Range Extender sind ja Verbrennungsmotoren – zählt das E-Auto dann eigentlich noch zu den reinen Elektrofahrzeugen?

Kartal: Das ist systemabhängig. Den BMW i3 gibt es in 2 Varianten: die rein elektrische Variante mit einem Akku, Motor und Leistungselektronik. Das ist ein BEV (Battery Electric Vehicle). Sobald ich den Range Extender dazu bestelle, habe ich im Kofferraum einen Verbrennungsmotor und eine zusätzliche Elektromaschine als Stromgenerator für den Akku. Dann habe ich allerdings ein serielles Hybridfahrzeug (HEV – Hybrid Electric Vehicle). 

© BMW
Im BMW i3 wird der Range Extender bereits seit Jahren verbaut. 

 

Wieso muss es ein Range Extender oder ein Superkondensator sein? Versuchen die Hersteller auch weiterhin, die Akku-Reichweite zu vergrößern?

Kartal: Das versucht man natürlich auch weiterhin. Range Extender sind eine Zwischenlösung. Man will momentan dem Otto Normalverbraucher ein bisschen die Angst nehmen, dass sie stehen bleiben könnten. Auch Hybridfahrzeuge bzw. PHEVs sind Brückenfahrzeuge. 

Und der Superkondensator?

Kartal: Dieser wird bislang nur in Nutzfahrzeugen eingesetzt. Um das Nutzfahrzeug mit geringerem Kraftstoffverbrauch erst einmal in Bewegung zu setzen. Ich kann mir aber vorstellen, dass Superkondensatoren zukünftig auch in reinen Elektrofahrzeugen zum Einsatz kommen. Dadurch habe ich eine höhere Leistungsdichte und Einsparungen in der Batterie. 

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Im DeLorean DMC aus dem Filmklassiker „Zurück in die Zukunft“ ist ein Fluxkompensator verbaut.

 

Eine Frage noch: Im Film „Zurück in die Zukunft“ braucht es einen Blitzschlag, um durch die Zeit zu reisen. Obwohl ein Auto ja eigentlich ein faradayscher Käfig ist…

Kartal: Eine interessante Frage. Der DeLorean hatte einen Fluxkompensator. Über die Sicherheit hat sich damals scheinbar niemand Gedanken gemacht. Aber ich hoffe nicht, dass wir zukünftig einen Blitzschlag als Impulsgeber für Innovationen brauchen.

 

Danke für das Gespräch. Das Gespräch führte Jasmin Ladinig, Content Manager Reed Exhibitions Österreich.