Telematik-Lösungen für ein effizientes Fuhrparkmanagement

Aus der Interviewserie: Automotive Aftermarket der Zukunft

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RX: Herr Birner, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, mit uns zu sprechen. Der Name Birner und auch Sie als Person sind in der Branche bestens bekannt. Ich würde Sie dennoch um eine kurze Vorstellung bitten, vor allem mit Blick auf die Themen, die Sie gerade umtreiben und wo im Moment ihr Fokus liegt. 

Seit 2018 – nach 38 Jahren in der Birner Geschäftsführung – entwickle ich mit meiner eigenen Firma PS Automotive Projekte, die den freien Kfz-Werkstätten das berufliche Leben erleichtern. Die tageweise Vermietung von Kfz-Spezialwerkzeugen an Werkstätten und Telematik-Lösungen für Werkstätten und Fuhrparks sind aktuell die zwei größten Themen.

Als Vizepräsident der FIGIEFA (europäischer Verband der Ersatzteilehändler), im Vorstand der Österreichischen Teilehändler VFT und im internationalen Verein CARMUNICATION – Wissenszentrum für Daten im Fahrzeug – engagiere ich mich für den freien Kfz-Reparatursektor. 

 

RX: Der Begriff Telematik geistert bereits seit einigen Jahren in der Branche umher. Können Sie uns in kurzen Worten beschreiben was Telematik bedeutet und welche Auswirkungen Telematik auf die Autobranche und im Speziellen auf den automotive Aftermarket hat?

Kraftfahrzeuge sind Computersysteme, die Daten (Beschleunigung, Lokalisierung, Service fällig, Fehlercodes, Kilometerstand, …) messbar und auslesbar machen. Mit der Unterzeichnung eines Kaufvertrages stimmt der Käufer eines Autos der WEB-Übermittlung der Daten an den Fahrzeughersteller zu. Vom Fahrzeughersteller unabhängige Werkstätten, Fuhrparks, Versicherungen, Pannendienste, etc. benötigen diese Daten ebenso. Sie können diese Daten aber nur über Dongle Lösungen vom OBD-Board oder durch Kauf der Daten vom Fahrzeughersteller bekommen.  

Damit der freie Kfz-Reparaturmarkt mit dem Leistungsangebot der Markenwerkstätten mithalten kann, bzw. eigene Lösungen, die auf Daten basieren, entwickeln kann, brauchen wir einen freien ungehinderten Zugang zu den Fahrzeugdaten. Nur die Autobesitzer*in bzw. die Autofahrer*in entscheidet, wem die im Fahrzeug generierten Daten zugänglich gemacht werden sollen.

Der freie Reparaturmarkt möchte seine Kunden informieren, wann ein Besuch der freien Werkstätte notwendig ist. Fuhrparks können sich administrative Arbeiten erleichtern, wenn Lenkfahrprotokolle der Fuhrparkautos automatisch erstellt werden. Unfallvorgänge können für Versicherung eindeutig nachvollziehbar sein. „Sinnlose“ Beschleunigungen von Zustellfahrten können unterbunden werden.

In der Zwischenzeit gibt es viele Lösungen, die sehr individuell auf die Bedürfnisse der einzelnen Fuhrparks bzw. Werkstätten adaptiert werden und damit tolle Arbeitserleichterungen und einen Mehrwert an Informationen bringen.

 

RX: Eine heftig diskutierte Frage in diesem Bereich ist: Wem gehören die Daten? Wie ist ihr Standpunkt dazu, und zeichnet sich hier eine politische Lösung ab?

Eine umfassende EU-Regulierung zu diesem Thema gibt es leider nicht. Es gibt kein Eigentumsrecht an Daten. Es gibt nur Nutzungsrechte, die die persönliche Sphäre schützen und damit eine unerlaubte Weitergabe der Daten untersagen.

Auf jedem Fall stehen die Daten der Autofahrer*in zu.

  • Er/sie will eine Versicherung, die auf dem eigenen Fahrverhalten basiert, abschließen.
  • Er/sie will von einer Werkstätte/Pannendienst im Falle eines Unfalles oder eines sich ankündigenden Problems kontaktiert werden.
  • Er/sie will von der Werkstätte des Vertrauens auf ein bevorstehendes Service aufmerksam gemacht werden. 

 

RX: Nach dieser eher allgemeinen Bestandsaufnahme, was bedeutet Telematik konkret für die freien Werkstätten? Wie können Betriebe davon profitieren, welche Geschäftsmodelle ergeben sich und was braucht es, um sich hier zukunftsfit aufzustellen?

Den größten Nutzen für freie Werkstätten sehe ich in der Zusammenarbeit mit regionalen Fuhrparks. Diese brauchen Telematik-Lösungen für ein effizientes Fuhrparkmanagement. Werkstätten können Fuhrparks sehr gut unterstützten und profitieren dabei, die Fuhrpark Reparaturen durchzuführen.

PS Automotive bietet solche Lösungen an. Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass die genaue Definition des gewünschten Nutzens entscheidend ist. Mit den im Einsatz befindlichen leistungsfähigen Datenbanken kann man sehr viel erreichen, z.B. die automatische Integration in die Lohnverrechnung oder die automatisierte Verwaltung der eingesetzten Leihfahrzeuge in einer Werkstatt. 

 

RX: Abschließend zum Thema Telematik noch der Blick in die Zukunft, was sind Ihrer Meinung nach erwartbare Entwicklungen in den kommenden fünf Jahren?

Es wird ein Geschäft. Es werden sich Player durchsetzen und Standards schaffen. Es werden Plattformen dominieren.

Einer unserer großen Partner ist die Firma GEOTAB. Sie bietet ihren Vertriebspartner einen Marktplatz an, um spezielle Anforderungen der Flottenkunden durch die Hinzunahme von Speziallösungen zu integrieren. Somit können wir in unsere Konfigurationen auf den besten bzw. auf die für diesen speziellen Fuhrpark am besten geeignete Lösung basieren. 

 

RX: Bleiben wir beim Thema Zukunft. Die Mobilitätswende ist in vollem Gang und auch die Frage der Nachhaltigkeit wird intensiv diskutiert – Stichworte hier Kreislaufwirtschaft und Shared Economy. Welche Trends sehen Sie?

Große Betriebe sind schon jetzt zu einem nachhaltigen Vorgehen verpflichtet und müssen dies auch in einem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht darstellen. In den nächsten Jahren sind alle Betriebe dazu verpflichtet. 

Der Reparaturmarkt ist ein wichtiger Teil des nachhaltigen Wirtschaftens. Reparieren, Wiederverwenden, Vermeiden und Recyclen! Zu allen diesen Bereichen können wir im freien Reparaturmarkt beitragen, wie beispielweise durch:

  • Reparieren, statt neue Autos anzuschaffen
  • Aufbereitete bzw. gebrauchte Ersatzteile verwenden
  • Getrennte Sammlung und fachgerechte Entsorgung
  • Anzahl der Anlieferungen von Ersatzteilhändlern an Werkstätten reduzieren (Empfehlung des VFT; das könnte ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion des CO2 Ausstoßes sein)
  • Kostenwahrheit bei den Transportkosten berücksichtigen (z.B. Berücksichtigung der tatsächlichen Transportkosten von Asien nach Europa)
  • Auf die Arbeitsbedingung der Teileerzeuger in den Herstellerländer achten
  • Mieten statt kaufen

 

RX: Shared Economy hat auch im automotive Aftermarket Einzug gehalten. Sie haben 2021 die Plattform Mobility Market gegründet. Beschreiben Sie die Idee der Plattform und wie Werkstätten davon profitieren können?

Der Grundgedanke ist immer derselbe, wie kann ich Kfz-Werkstätten das Leben einfacher machen?

Werkzeuge, die im Arbeitsalltag regelmäßig benötigt werden, sollen natürlich von einer Werkstätte gekauft werden. Es gibt aber viele Spezialwerkzeuge, die nur „alle heiligen Zeiten“ gebraucht werden. Diese Werkzeuge kann man bei www.mobility-market.eu tageweise mieten. In stabilen Koffern wird das Werkzeug zugestellt und wieder abgeholt. Die Reparaturinformationen, Zustell- und Abholkosten sind im Mietpreis inkludiert. Anhand der Haynes Pro Reparaturinformationen pro Fahrzeugmodell (mit OE basierenden Darstellungen der Werkzeuge), oder mittels Motorcodes, Werkzeugnummern, Bezeichnungen, teilweise sogar nach den Ersatzteilnummern findet man das entsprechend benötigte Werkzeug. 

Die Werkzeugsuche ist in diversen Ersatzteilkatalogsystemen bzw. über die REPXPERT Werkstattplattform in Österreich integriert. Eine breite Basis von Marktanbietern hat den Gedanken WERKZEUG MIETEN in ihre Vertriebsaktivitäten integriert.   

 

Im Interview: Walter Birner, Geschäftsführer PS Automotive